ENERGIEWENDE - KEINE ZEIT FÜR HALBE SACHEN
Verwendete Begriffe und Kürzel
- - PV … Photovoltaik
- - WK … Windkraft
- - EE … erneuerbare Energie
- - AKW … Atomkraftwerk
- - PSW … Pumpspeicherwerk
- - IT … Informationstechnologie
Vorwort
Spät, aber doch, sind die irreversiblen Schäden für das Weltklima durch die von den Menschen verursachten CO2 Emissionen zu einem Thema geworden, das nicht mehr kleingeredet werden kann. Damit steht fest: Eine “Energiewende“, die Kohle, Öl und Gas durch CO2 freie Energiequellen ersetzt, gehört derzeit zu den dringendsten gemeinsamen Aufgaben der Menschen.
Ein weiterer Grund für die Notwendigkeit einer “Energiewende“ ist die Tatsache, dass alle fossilen Energieträger aus endlichen Vorräten stammen, die beim derzeitigen Verbrauch in absehbarer Zeit erschöpft sein werden. Die Lösung des Problems liegt auf der Hand: Sonne und Wind können jeden Energiebedarf decken, frei von Emissionen und unbegrenzt verfügbar. Viele Gründe, die vor Jahren noch dagegen sprachen, sind inzwischen ausgeräumt, vor allem durch große technologische Fortschritte und Kostenreduktionen. Energie von Sonne und Wind ist in vielen Fällen bereits kostengünstiger als fossile oder atomare. Und der Weg zu weiteren Kostensenkungen ist unumkehrbar.
Allerdings ist das Thema unter vielen Aspekten sehr komplex. Es steckt in einer dynamischen Entwicklung und ist zudem von Ideologien und Partikularinteressen überfrachtet. Zudem gibt es bei vielen Zahlen und Daten, Interpretations – und/oder Ermessenspielraum, wodurch Missverständnissen Tür und Tor geöffnet sind. Diese Beobachtung hat mich als Ingenieur mit jahrzehntelangen theoretischen und praktischen Aktivitäten in Zusammenhang mit Energie, im Jahr 2011 dazu bewogen in Form einer kurzen Schrift in allgemeinverständlicher Form grundlegende Daten und Fakten zusammenzufassen. Ein Anstoß dazu war auch die Atomkatastrophe von Fukushima im gleichen Jahr. (energiewende.it)
Nützlich neben meinen Erfahrungen, u. a. aus Innovationen im Bereich Photovoltaik oder aus einer mehrjährigen Mitwirkung bei der Modernisierung eines Pumpspeicherwerkes, waren dabei auch die aus meiner nebenberuflichen Lehrtätigkeit in den Fächern Mathematik und Physik.
Jeder Teilbereich beim Thema Energie verästelt sich in einer Fülle von Einzelheiten. Dazu kommen die Schwierigkeiten, bei den Recherchen wirklich aussagekräftige und verlässliche Daten herauszufiltern und sinnvoll zu verknüpfen. Um zu vermeiden, dass man am Ende “den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht“, war es notwendig viele Einzelheiten vereinfacht darzustellen und hauptsächlich nur auf die grundlegenden Fakten und Größenordnungen einzugehen bzw. im Wesentlichen den Inhalt auf die Situation in der EU zu beschränken.
Anmerkung:
Die vorliegenden Zeilen können bis zu einem gewissen Grad als aktualisierte Ergänzung zur zitierten Schrift von 2011 betrachtet werden und sind wie diese für am Thema interessierte Laien gedacht. Neben der Aktualisierung und z. T. Korrektur von Daten, stehen in der aktuellen Fassung denkbare Lösungsansätze im Kampf gegen den Klimawandel im Vordergrund. Bei manchen Einzelheiten wird auf den ausführlicheren Text unter energiewende.it von 2011 Bezug genommen, daher kann dieser identisch auch im hier angefügten Teil eingesehen werden.
Danke für einen Kommentar, für Kontaktaufnahme oder Weiterleitung an Dritte
April 2021, Joule
1. 2050 oder 20xy?
Die 2015 in Paris für 2050 festgeschriebenen Klimaziele sind ein wichtiges Signal. Angesichts der Milliarden t CO2, die nach wie vor in steigendem Maß in die Atmosphäre emittiert werden, braucht es aber mehr. Die weltweit bereits eingetretenen, z. T. schwerwiegenden Folgen für Mensch und Natur können nicht mehr rückgängig gemacht werden. Aber zumindest sollte alles getan werden, um so schnell und so umfangreich wie möglich zukünftige CO2 Emissionen zu vermeiden.
Aufgrund der sich rasch ändernden technischen, wirtschaftlichen und politischen Voraussetzungen im Energiebereich sind Programme oder zeitliche Abläufe, die Jahrzehnte umfassen, im Detail nicht planbar. Und zu weit in die Zukunft verschobene Ziele könnten auch als Rechfertigung für ein mäßiges Engagement in der Gegenwart missverstanden werden. Deshalb steht nachfolgend nicht ein theoretischer Zeitplan im Vordergrund, sondern die Notwendigkeit, zeitnah zumindest wesentliche Zwischenergebnisse zu erzielen und den eingeschlagenen Weg als Etappe für endgültige Lösungen zu konzipieren. Dieses Zwischenergebnis sollte lange vor 2050 erreicht werden. Formal wird dieser Zeitpunkt nachfolgend als das Jahr 20xy bezeichnet.
2. CO2 freie Energiequellen
2.1 Sonne
Die Möglichkeit, Sonnenlicht über Photovoltaik (PV), d. h. ohne bewegte Teile, direkt in elektrischen Strom zu verwandeln, wurde 1839 vom Franzosen Becquerel entdeckt. Die praktische Nutzung des PV-Effektes begann etwa Mitte des 20. Jahrhunderts, zunächst in der Forschung und einige Jahrzehnte später mit ersten kommerziellen Anwendungen. Das Grundkonzept besteht hauptsächlich darin eine geeignete Oberfläche mit einem Material zu beschichten, das aufgrund seiner Eigenschaft als lichtempfindlicher Halbleiter (meist Silizium) und bei geeigneter Verschaltung, Lichtstrahlen in elektrischen Strom verwandelt. Die elektrisch aktiven Flächen werden durch schützende Schichten (meist Spezialglas) abgedeckt. Diese Teile bilden zusammen Einheiten (Module), die in beliebiger Anzahl und mit unterschiedlichen Tragstrukturen zur Stromerzeugung aus Sonnenlicht genützt werden können. Es gibt eine Vielzahl von anderen Werkstoffkombinationen, die nach dem gleichen Grundprinzip Strom aus Sonnenenergie produzieren können.
In der Anfangsphase wurde Stromerzeugung aus PV nur in Sonderfällen genutzt, da die Kosten um Größenordnungen über denen von herkömmlichen Produktionsmethoden lagen und die Leistungen bzw. die Betriebssicherheit der PV-Technik für die Praxis noch nicht ausreichten. Zu einem wirtschaftlichen Faktor wurde die PV etwa ab der Jahrtausendwende, angeschoben vor allem durch Subventionen aus öffentlicher Hand. In mehreren Ländern, besonders in Deutschland, wurde Solarstrom durch Förderungen auch für normale Verbraucher wirtschaftlich interessant. Dadurch wurde eine Entwicklung in Gang gesetzt, die inzwischen deutlich gemacht hat, dass PV das Potential hat, ein entscheidender Faktor bei der Energieversorgung zu werden.
PV-Strom kann überall auf der Welt in Anlagen aller Größenordnungen und mit unterschiedlichen, dem jeweiligem Einsatzort angepassten, Strukturen genutzt werden. Das ist – neben dem Wunsch nach einem gewissen Maß an Autarkie – einer der Gründe dafür, dass weltweit immer mehr Möglichkeiten gefunden werden, kleine oder große, private oder kommerzielle PV-Anlagen zur Stromgewinnung einzusetzen. Durch das inzwischen erreichte technische und organisatorische Niveau besteht derzeit, in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen, in vielen Fällen bereits Kostenparität zu Energie aus fossilen Quellen. Ein entscheidender Faktor dabei ist auch die Intensität der Sonneneinstrahlung. Aus Sicht der Nordhalbkugel ist diese umso stärker je weiter die Anlage im Süden liegt. Die Tendenz zu weiteren Kostensenkungen ist unumkehrbar, da sich auch in Zukunft alle durch Markt und Wettbewerb getriebenen Entwicklungen und nicht zuletzt die weltweit steigenden Zahlen an Neuinstallationen nur als Verbesserungen auswirken können. Das bisherige Tempo der Entwicklung kann allerdings nicht unbegrenzt beibehalten werden, weil der Spielraum für Verbesserungen immer kleiner wird. Aber eines ist sicher: Rückschritte sind ausgeschlossen, auch wenn in Zukunft ein zunehmender Bedarf an Speicherkapazität und an neuen Stromleitungen berücksichtigt werden muss. Aber auch in diesen Sektoren gibt es ein großes Entwicklungspotential, an dem weltweit intensiv gearbeitet wird. → Speichertechnologien (3)
2.2 Wind
Die Nutzung der Windkraft (WK) ist im Prinzip seit der Antike bekannt, daher setzte ihr Einsatz zur Stromgewinnung im Gegensatz zur PV keine grundsätzlich neue Technologie voraus. Die zunächst sporadische Anwendung zur Stromerzeugung begann Ende der 19. Jahrhunderts mit einfachen und vergleichsweise kleinen Anlagen, z. B. in Fällen, wo der Antrieb eines Generators über Verbrennungsmotoren oder Wasserkraft unwirtschaftlich oder nicht möglich war (Inselbetrieb).
Die Idee, WK als wesentlichen Beitrag zur Deckung des allgemeinen Strombedarfes zu nutzen, kommt mit der 1983 in Deutschland gebauten Pilotanlage GROWIAN (Großwindanlage) zum Ausdruck und nahm Ende des 20. Jahrhunderts Fahrt auf. Die mit 3 MW damals weltweit größte GROWIAN war zwar aufgrund von technischen und wirtschaftlichen Problemen sehr umstritten (ihr Betrieb wurde deshalb nach wenigen Jahren wieder eingestellt), aber sie war auch ein Signal zum industriellen Einstieg in diese Technologie. Wie in der PV begann der Aufstieg der WK bei der Stromerzeugung etwa ab der Jahrtausendwende, hauptsächlich in Folge von Fördermaßnahmen durch die öffentliche Hand. Auch die Nutzung der WK führt laufend zu technischen Verbesserungen bei gleichzeitiger Senkung der Kosten. Allerdings erfolgt diese Entwicklung im Vergleich zur PV weniger spektakulär. Insbesondere die anfänglich deutlich kostengünstigere WK führte dazu, dass diese über 10 – 15 Jahre stärker ausgebaut wurde als die PV. Deshalb war der Beitrag aus WK in der Stromerzeugung in der EU 2017 mit 11% deutlich höher als aus PV mit 4%. Durch das wesentlich schnellere Tempo bei den Kostensenkungen in der PV sind die Kosten für den produzierten Strom inzwischen im Durchschnitt etwa gleich (abhängig von den lokalen Voraussetzungen). Bei technologieoffenen Projekten wird inzwischen z. B. in Deutschland aus Rentabilitätsgründen häufig die PV vorgezogen. Ein weiterer Grund dafür ist zudem, dass in dicht besiedelten Landschaften PV-Anlagen vom Gesetzgeber und von der Bevölkerung eher akzeptiert werden als Windanlagen.
2.3 Bioenergie, einschließlich Energie aus Müllverbrennung
Bioenergie, d. h. Energie aus Pflanzen, einschließlich eines Anteils aus der Müllverbrennung, leistete 2017 einen beachtlichen Beitrag (rund 7%) an der europäischen Stromproduktion bzw. von rund 3% am Bedarf an Primärenergie.
Die Nutzung dieser Energiequellen ist aber durch den dafür erforderlichen Flächenbedarf begrenzt und teilweise grundsätzlich fragwürdig.
Energie aus Müllverbrennung ist sicher sinnvoll, da die Verbrennung von Müll ohnehin zur Müllentsorgung stattfindet. Allerdings ist dieser Beitrag bezogen auf den gesamten Energiebedarf marginal.
Bioenergie ist generell dort sinnvoll, wo Biomasse ohnehin anfällt, also Energiepflanzen nicht eigens angebaut werden müssen. Diese Voraussetzungen sind z. B. bei der Verwertung von Restholz, Bioabfällen, Gülle oder bei der nachhaltigen Entnahme von Holz aus Wäldern gegeben.
Ackerböden oder im schlimmsten Fall gerodeten Urwald zum Anbau von Energiepflanzen zu nutzen, ist hingegen überwiegend negativ zu bewerten.
Pflanzen haben nur einen sehr bescheidenen Energieertrag, der zusätzlich noch durch den großen Aufwand von der Bodenbearbeitung bis zur verwertbaren Endenergie weiter geschmälert wird. Beispielsweise benötigt Raps für denselben Energieertrag mindestens 30x soviel Fläche wie PV.
Dazu ist PV auf Ackerboden auch umweltfreundlicher, da der natürliche Pflanzenwuchs kaum beeinträchtigt wird und weder Düngung noch Pestizide noch Bewässerung benötigt. Auch die Idee PV und normale Landwirtschaft auf ein und demselben Boden zu nutzen, indem die Module durch geeignete Strukturen in einer Höhe von mehreren Metern gehalten werden, gewinnt zunehmend an Bedeutung (Doppelnutzung des Bodens).
In Deutschland wurde 2017 z. B. auf ca. 900.000 ha Raps angebaut, davon rund die Hälfte zur Produktion von Biodiesel. Diese Fläche fällt somit für die Produktion von Nahrungsmitteln aus, dabei reicht Biodiesel gerade für ca. 6% des deutschen Bedarfes an Dieseltreibstoff.
Es ist daher schwer verständlich, dass die vergleichsweise extrem ineffizienten Energiepflanzen auf Ackerboden sogar gefördert werden, aber PV dort normalerweise nicht zugelassen ist und dies mit dem Argument, dass landwirtschaftlicher Boden den Nahrungsmitteln vorbehalten bleiben muss.
Das unter energiewende.it bereits 2011 dargestellte Diagramm wird in diesem Zusammenhang nachfolgend trotz kleiner Ungenauigkeiten unverändert nochmals abgebildet.
2.4 Atomenergie
Atomenergie ist ebenfalls CO2 frei und mit diesem Argument wird derzeit teilweise für eine Wiederbelebung dieser Technologie geworben.
Atomenergie ist zunächst nicht nachhaltig, da die Uranvorräte ähnlich wie fossile endlich sind. Zudem liegen die wirklichen Kosten von Atomstrom sicher auch in Zukunft deutlich über jenen, die mit EE zu erreichen sind.
Um den globalen Primärenergiebedarf nennenswert zu unterstützen oder gar überwiegend zu decken, müsste man weltweit tausende AKWs bauen. Niemand könnte die damit massiv steigenden Gefahren durch Atomunfälle verantworten, deren Folgen in Tschernobyl und Fukushima für alle sichtbar geworden sind. Ein Tschernobyl in der Nähe einer Großstadt hätte apokalyptische Folgen und würde jede Kostenrechnung ad absurdum führen.
Dazu würde die weltweite Verbreitung von AKWs in vielen Ländern die Entwicklung von Atomwaffen begünstigen und damit ein Damoklesschwert für die gesamte Menschheit schaffen. Aber auch die mit der Atomenergie zusammenhängenden, vergleichsweise banalen Probleme wie die Endlagerung der Rückstände, führen zu großen Belastungen für die Allgemeinheit.
Während PV und WK im Laufe ihres Ausbaues Schritt für Schritt weiterentwickelt werden, könnten Atomkraftwerke nach Baubeginn nicht mehr verändert werden. Sollte sich ihr Betrieb als zu gefährlich, unwirtschaftlich oder als technisch überholt erweisen, bleibt nur die kostspielige Demontage und Entsorgung.
Die derzeit teilweise lancierte Idee, Atomkraft und EE im Kampf gegen den Klimawandel zu kombinieren, hat keine sinnvolle Grundlage.
Wenn jede benötigte Energiemenge kostengünstig und sicher auch durch Sonne und Wind gewonnen werden kann, wie die schon realisierten Anlagen beweisen, wird keine zusätzliche Energiequelle benötigt. Insbesondere keine, die fast nur Nachteile hätte, wie die Atomkraft, die zudem mit inakzeptablen Gefahren verbunden ist. Angesichts der gebotenen Eile beim Klimaschutz wäre es daher abwegig, Zeit und Ressourcen zu Lasten des Ausbaues der EE in die Atomkraft zu investieren.
2.5 Schlussfolgerungen
Als emissionsfreie und ungefährliche Energiequellen mit realistischem Potential kommen aus heutiger Sicht nur Sonne und Wind in Frage, auch wenn damit zusätzlich das Problem des fluktuierenden Energieangebotes gelöst werden muss. Deshalb erfordert die Energiewende auch umfangreiche Maßnahmen und Einrichtungen, welche die Energieversorgung unabhängig von dem stark schwankenden Verhältnis von Angebot zu Bedarf sicherstellen. In der Hauptsache sind dies Speichersysteme, die einen zeitweise bestehenden Stromüberschuss speichern und bei Bedarf wieder abgeben.
3. Speichertechnologien
3.1 Batterien
Das elektro-chemische Grundprinzip von Batterien ist seit über 200 Jahren bekannt (Experimente von Galvani) und ihre praktische Anwendung gab es ebenfalls bereits im 19. Jahrhundert. In Zusammenhang mit dem massiv gestiegenen Bedarf für netzferne Geräte mit Strombedarf gab es in den letzten Jahrzehnten aber eine Vielzahl von Weiterentwicklungen. Neben den unzähligen kleineren Batterien, die derzeit z. B. im IT-Bereich oder in konventionellen Fahrzeugen eingesetzt werden, zeichnen sich neue Anwendungsbereiche ab, die in Summe eine große Speicherkapazität ergeben: die E-Mobilität und die Heimspeicher.
Insgesamt bilden die eingesetzten Batterien vor allem durch ihre große Zahl bereits einen beachtlichen Teil der gesamten notwendigen Speicherkapazität, der sich aber in Zukunft durch neue Anwendungsbereiche noch stark vergrößern wird. Die möglichst weitgehende Nutzung dieser Kapazität setzt allerdings auch organisatorische Maßnahmen voraus, z. B. Anreize, die das Laden der Batterien in Phasen mit Energieüberschuss fördern.
Einzelbatterien in einer Größenordnung, mit der beispielsweise eine Kleinstadt über mehrere Stunden oder Tage versorgt werden kann, sind theoretisch machbar und werden derzeit in Einzelfällen auch realisiert. Aus Kostengründen und wegen des großen Bedarfes an z. T. seltenen Rohstoffen wird diese Anwendung aus heutiger Sicht zwar als Beitrag zum gesamten benötigten Speicherbedarf gesehen, aber kaum als generelle Lösung des Speicherproblems. Tatsächlich hängt die zukünftige Rolle der Batterien in diesem Zusammenhang noch entscheidend von den technischen Fortschritten in diesem Bereich ab.
Neben den bisher hauptsächlich verwendeten Blei- und zunehmend Lithiumbatterien sind weltweit eine Reihe von Entwicklungen im Gange, die auf anderen Werkstoffkombinationen beruhen. Im Fokus steht dabei die hauptsächliche Verwendung von reichlich vorhandenen und daher auch preiswerten Rohstoffen, wie z. B. Kalzium (Ca) oder Natrium (Na), aus unbegrenzt vorhandenem Salz (NaCl). Sollte eine mit anderen Speichersystemen vergleichbare Kosten- und Kapazitätssituation erreicht werden, dann ist zu erwarten, dass die spezifischen Vorteile der Batteriespeicherung zunehmend auch in großem Stil genutzt werden.
Vorteile (V) – Nachteile (N) gegenüber anderen Speichersystemen u. a.:
- V in jeder Größe realisierbar, geringer Platzbedarf, überall installierbar → kurze Leitungen
- V mit etwa 90% höchster Wirkungsgrad(1)
- V einfache Handhabung und Wartung
- V Rohstoffe teilweise wieder verwertbar
- N derzeit für große Leistungen zu teuer
- N derzeit überwiegend seltene Rohstoffe
(1) Nach der Speicherung zur Verfügung stehender Strom bezogen auf den Ladestrom.
3.2 Wasserstoff (H2)
H2 wird in der Natur kaum vorgefunden und kann nur durch den Einsatz einer anderen Energieform aus unterschiedlichen Stoffen gewonnen werden.
H2 kann in einer zukünftig weitgehend CO2 freien Energiewirtschaft daher ähnlich wie Strom nur als Medium, nicht aber, wie etwa Kohle oder Öl, als Quelle von Primärenergie genutzt werden.
Bei jedem Verfahren zur Gewinnung und späteren Nutzung von H2 muss daher mehr Energie aufgewendet werden als anschließend zur Verfügung steht, d. h. die Energiebilanz ist immer negativ.
Dass Wasserstoff in Zusammenhang mit dem Klimaproblem trotzdem eine stark steigende Bedeutung hat, liegt an seiner vielseitigen Verwendbarkeit (energetisch und nicht energetisch), sowie an der Tatsache, dass durch die Verwendung in den meisten Fällen als Endprodukt nur Wasser entsteht bzw. als Ausgangsmaterial neben einer Energiequelle nur Wasser benötigt wird. Ferner kann man mit H2 und relativ einfachen Infrastrukturen auch sehr große Energiemengen speichern. Damit können CO2 Emissionen durch fossile Energieträger vermieden werden, wenn diese durch H2 ersetzt werden.
H2 kann gasförmig (unter hohem Druck) oder flüssig (Temperatur unter –252°C) gespeichert und transportiert werden.
Eine weitere Form der Speicherung besteht darin, H2 durch eine chemische Reaktion – insbesondere durch eine Reaktion mit CO2 – in gasförmige oder flüssige Stoffe zu überführen, die in vielen Bereichen fossile Brenn- oder Treibstoffe CO2 neutral ersetzen können (z.B. als Methan oder Methanol).
Die energetische Nutzung von H2 kann durch Verbrennung erfolgen oder durch Stromerzeugung in einer Brennstoffzelle, bei der ein Teil der Energie ebenfalls als Wärme anfällt. Insbesondere bei Verbrennung kann H2 in reiner Form oder als Bestandteil eines auf chemischen Weg produzierten gasförmigen oder flüssigen Treib- oder Brennstoffes zum Einsatz kommen.
Die nicht energetische Nutzung von H2 kann in unterschiedlichen chemischen Prozessen erfolgen, die teilweise seit Jahren in der Industrie eingeführt sind oder in Zukunft zum Einsatz kommen sollen. Aufgrund der großen Mengen an Kohle, die derzeit in der Eisenindustrie sowohl zur Erzeugung von Wärme als auch zu einer chemischen Reaktion genutzt werden, kann der in Betracht gezogene Ersatz derselben durch H2 ebenfalls zu einer wesentlichen Reduktion der CO2 Emissionen beitragen.
In Zusammenhang mit der Energiewende steht vor allem die Nutzung von H2 zur indirekten Speicherung von elektrischer Energie im Vordergrund. Diese Anwendung erfolgt – mit oder ohne Nutzung der dabei zusätzlich entstehenden Wärme – in einem Zyklus aus den nachfolgenden Schritten:
- Spaltung von Wasser (H2O) in H2 und O2 durch Strom (Elektrolyse)
- Speicherung und Transport des produzierten H2, gasförmig unter Hochdruck oder flüssig
- Rückverstromung in einer Brennstoffzelle unter Wiederherstellung von Wasser.
Vorteile (V) – Nachteile (N) gegenüber anderen Speichersystemen u. a.:
- V einfache Speichermöglichkeit für H2, auch für sehr große Mengen(2)
- V Ein- und Ausgang nur Strom und Wasser
- V flüssig oder gasförmig auch über große Strecken transportierbar
- V vielseitige Nutzung, auch anstelle von Batterien bei großem Leistungsbedarf(3)
- V chemische Umwandlung in CO2 neutrale Treib- und Brennstoffe möglich(4)
- V Nutzung als Ersatz für Kohle in der Eisenindustrie
- N schlechter Gesamtwirkungsgrad bei Rückverstromung (derzeit unter ca. 40%)(5)
- N komplexe Technik beim Zyklus Strom – Speicherung von H2 – Rückverstromung
(2) Da die Speicherung durch das normalerweise gasförmig vorhandene H2 erfolgt, ist die Kapazität nur durch das Volumen der Behälter oder Räume begrenzt, die zur Aufnahme des H2-Gases dienen und ist damit theoretisch fast unbegrenzt. Beispielsweise gibt es die Möglichkeit H2 gasförmig unterirdisch in Salzkavernen zu speichern (in Form von Pilotprojekten bereits realisiert). Die derzeit z. B. für Methan üblichen Tanks und Rohrsysteme können z. T. genutzt werden, bis zu einem gewissen Grad auch durch Vermischung der Gase.
(3) Das Wasserstoffauto besitzt einen Elektroantrieb, aber der Strom kommt nicht aus einer Batterie, sondern aus einer mitgeführten Brennstoffzelle, die ihrerseits durch H2 aus dem Tank gespeist wird. Damit sind gegenüber Batteriespeicherung größere Reichweiten und kürzere Tankzeiten möglich. Insbesondere kann damit ein CO2 freier Antrieb auch bei Lkw, Flugzeugen und Schiffen realisiert werden.
(4) Wird H2 durch chemische Umformung als flüssiger oder gasförmiger Brenn- oder Treibstoff gespeichert, dann kann dieser wie ein fossiler Energieträger eingesetzt werden, jedoch CO2 neutral. Die mit fossilen Energieträgern betriebenen Systeme können dabei weitgehend unverändert beibehalten werden, was in einigen Bereichen (z. B. im Flug – und Schiffsverkehr) nach derzeitigem Stand Voraussetzung für einen CO2 neutralen Einsatz ist.
(5) Verbesserungen durch technische Fortschritte sind diesbezüglich noch zu erwarten, aber da die Gesamtverluste in einem komplexen System mit 3 Hauptkomponenten entstehen (Elektrolyse – Komprimierung oder Verflüssigung von Gas – Brennstoffzellen) sind die Möglichkeiten begrenzt. Eine gewisse Verbesserung des Gesamtwirkungsgrades ist möglich durch die Nutzung der bei der Rückverstromung entstehenden Wärme.
Je nach Herstellungsprozess wird u. a. zwischen den nachfolgenden Formen von H2 unterschieden:
“grüner“ H2 entsteht durch elektro-chemische Spaltung (Elektrolyse) von Wasser (H2O) in H2 und O2 mittels Strom aus erneuerbaren Quellen und ist frei von schädlichen Emissionen.
“grauer“ H2 wird derzeit zur Verwendung in der Industrie auf chemischem Weg aus Erdgas gewonnen, wobei jedoch auch große Mengen CO2 entstehen, die in die Atmosphäre gelangen.
“blauer“ H2 Herstellung wie grauer Wasserstoff, aber das entstehende CO2 soll in Kavernen oder auf dem Meeresgrund endgelagert werden, d. h. nicht in die Atmosphäre gelangen. Das praktisch nur als Idee existierende Konzept ist sowohl aus technischen wie auch aus wirtschaftlichen Gründen schwer realisierbar.
“türkiser“ H2 wird thermisch aus Methan gewonnen, wobei der neben dem H2 freigesetzte Kohlenstoff in fester Form abgeschieden wird. Somit keine direkten CO2 Emissionen, aber aus energetischer und wirtschaftlicher Sicht nur in Ausnahmefällen sinnvoll.
“roter“ H2 aus Atomstrom, offensichtlich als (Schein)Argument für den Bau von neuen Kernkraftwerken gedacht, aber abgesehen von Sonderfällen energetisch und wirtschaftlich nicht sinnvoll.
Bei der Bewertung dieser Verfahren darf nicht übersehen werden, dass die Produktion von H2 aus unterschiedlichen Gründen erfolgt. H2 als Zwischenprodukt bei der Speicherung von Strom aus PV und WK Anlagen, also grüner H2, ist in vielen Fällen energetisch sinnvoll bzw. notwendig. Bei den übrigen Herstellungsverfahren ist das Endziel umgekehrt, d. h. es geht hauptsächlich um die Produktion von H2 für unterschiedliche Zwecke. Wertvolle elektrische oder fossile Energie zu verbrauchen, um unter Inkaufnahme von hohen Verlusten und aufwändigen Verfahren am Ende wieder Strom oder Treibstoffe zu erhalten ist, von Sonderfällen abgesehen, nicht sinnvoll.
Wenn – wie vorausgesetzt – WK und PV einen großen Teil des gesamten Energiebedarfes decken sollen, dann muss die installierte Gesamtleistung dieser Anlagen um ein Vielfaches höher sein als die dazugehörige Speicherkapazität. Deshalb können zusätzlich zu dem im Speicherprozess benötigen H2 mit denselben Anlagen auch weitere Mengen für andere Zwecke produziert werden. H2 zur energetischen Nutzung fossil oder atomar zu erzeugen, hieße Eulen nach Athen tragen.
3.3 Pumpspeicherwerke (PSW)
Pumpspeicherwerke sind derzeit die mit Abstand leistungsfähigsten Einrichtungen um elektrische Energie (indirekt) zu speichern und bei Bedarf wieder abzugeben. Sie werden seit über einem Jahrhundert erfolgreich großtechnisch eingesetzt, allerdings bisher überwiegend zum Ausgleich der Schwankungen beim Strombedarf oder zur Stabilisierung der Netzfrequenz.
PSW sind Wasserkraftwerke, die – wie bei den “normalen“ Wasserkraftwerken – in bekannter Weise Druckwasser aus einem höher gelegenen Staubecken nutzen um über Turbinen und Generatoren Strom zu erzeugen.
Dieses Druckwasser wird aber beim PSW auch talseitig gespeichert und in einer Phase mit Stromüberschuss im Netz wieder in das bergseitige Staubecken zurückgepumpt. Dadurch funktioniert das System als Stromspeicher.
Das abwechselnd auf- und abfließende Wasser bleibt dabei üblicherweise ein und dasselbe, d. h. normalerweise findet kein Wasserverbrauch statt. Teilweise besitzen PSW bergseitig aber eine zusätzliche natürliche Wasserzufuhr, die zur Stromerzeugung beiträgt, wobei dieser Anteil aber nach der Nutzung talseitig abfließt.
Pumpspeicherwerke benötigen hinsichtlich der topografischen Gegebenheiten ähnliche Voraussetzungen wie “normale“ Wasserkraftwerke. Die meisten wesentlichen Baugruppen, wie Turbinen, Generatoren, Druckrohrleitungen, Staudämme usw. sind weitgehend identisch. Deshalb bietet sich bei bestehenden Wasserkraftwerken oft die Möglichkeit, diese ohne übermäßigen Aufwand zu einem PSW aufzurüsten. Gegenüber “normalen“ Wasserkraftwerken besteht im Wesentlichen somit der nachfolgende Mehraufwand:
- Neben einem Staubecken bergseitig muss auch talseitig eines vorhanden sein, um das abfließende Wasser zu sammeln, das dann in der folgenden Phase wieder auf das obere Niveau zurückgepumpt wird. Diese Staubecken können in günstigen Fällen durch einen natürlich vorhandenen See oder talseitig evtl. durch das Meer gegeben sein.
- Neben den Turbinen und Generatoren werden im Maschinenhaus zusätzlich die Pumpen benötigt, die das Druckwasser nach der Nutzung zur Stromerzeugung wieder auf das obere Niveau zurückfördern. Der Antrieb für diese Pumpen kann durch die ohnehin vorhandenen Generatoren erfolgen, sofern diese so ausgelegt sind, dass sie auch als Motoren funktionieren können.
Vorteile (V) Nachteile (N) gegenüber anderen Speichersystemen u. a.:
- V Die im PSW eingesetzte Technik ist vergleichsweise elementar und langlebig. Für ihren Bau werden keine seltenen Rohstoffe benötigt und abgesehen vom Bedarf für die normale Wartung wird im Betrieb nichts verbraucht. Die wesentlichen Maschinen (Turbinen, Generatoren und Pumpen) sind meist jahrzehntelang in Betrieb, die Bauten wie Staubecken, Druckrohrleitungen, Gebäude usw. z. T. auch 100 Jahre und mehr.
- V Leistungen im Bereich von normalen Wasserkraftwerken
- V Wirkungsgrad ca. 80%, also rund doppelt so hoch wie bei H2 mit Rückverstromung(6)
- V Der Strom wird als Wechselstrom produziert – keine Wechselrichter nötig
- N Massiver Eingriff in die Landschaft, daher in Europa nur sehr begrenzt realisierbar.
- N Meist große Entfernung zum Verbraucher – entsprechender Aufwand für Stromleitung
(6) Nur ca. ½ so große PV und WK Anlagen nötig, bei gleicher Strommenge ab Speicher.
4. Sichere Energieversorgung mit Sonne und Wind
Anders als bei den PV und WK Anlagen, bei denen die technischen und wirtschaftlichen Grundlagen im Wesentlichen bereits geschaffen wurden, muss das dazugehörige System zur Sicherung der Energieversorgung im Falle von Energieengpässen teilweise ex novo entwickelt werden. Die Notwendigkeit zur Speicherung von Teilen der produzierten Strommenge bedeutet einen wesentlichen technischen und finanziellen Aufwand und einen erheblichen Energieverlust.
Deshalb sollte das Gesamtkonzept so gestaltet werden, dass die notwendige Speicherkapazität möglichst gering gehalten werden kann und dass vorzugsweise jeweils die Systeme mit den besten Wirkungsgraden zum Einsatz kommen. Die aus den Speichern zu entnehmende maximale Leistung ist in Abhängigkeit von den übrigen Maßnahmen deutlich geringer als die Gesamtleistung der PV und WK Anlagen. Die wichtigsten Bausteine für dieses Konzept sind aus heutiger Sicht:
- Entsprechend dimensionierte Speicher, im Wesentlichen zur Überbrückung der im Normalbetrieb auftretenden, über Stunden oder Tage andauernden Energieengpässe (z. B. Tag-Nacht-Schwankungen).
- Reservekraftwerke (vorzugsweise Gaskraftwerke) zum Einsatz bei außergewöhnlichen Energieausfällen. In der Übergangszeit bis zur Erreichung der Endausbauphase können diese Kraftwerke auch zur normalen Stromproduktion dienen. Nach abgeschlossener Umstellung auf PV und WK sollte ihr Einsatz jedoch nur mehr in Ausnahmefällen notwendig werden.
- Organisatorische Maßnahmen, um z. B. durch technische Konzepte und finanzielle Anreize einen möglichst großen Anteil der produzierten Stromenergie direkt zu verbrauchen, d. h. ohne Umweg über Speicher. Dazu Verbrauch und Stromangebot soweit möglich zeitlich koordinieren (E-Autos laden, Wärmepumpen, Industrieprozesse usw. bei Stromüberschuss).
Ein wesentlicher Beitrag, um durch Fluktuation bedingte Energieengpässe zu minimieren, ist auch eine großflächige Verteilung der PV und WK Anlagen. Dadurch betreffen ungünstige Bedingungen normalerweise nur einen Teil der gesamten Anlagen (siehe → Pkt. 5). In diesem Zusammenhang wäre eine wesentliche Einbeziehung von Nordafrika vorteilhaft.
Zusammenfassung
Eine sichere Energieversorgung ist fraglos auch mit Sonne und Wind realisierbar. Die große Zahl von z. T. autonomen PV und WK Anlagen bietet im Gegenteil eine höhere Sicherheit als die derzeitige Abhängigkeit von konventionellen Energiequellen. Es geht darum, unter den möglichen Lösungen die am besten geeigneten zu wählen und zu kombinieren. Angesichts der Komplexität des Themas, der dynamischen Entwicklungen und der zahlreichen divergierenden Interessen können die Lösungen nicht einfach in Form von Konferenzbeschlüssen festgeschrieben werden. Es geht vielmehr um vermutlich langwierige und schwierige Entscheidungsprozesse. Wichtige Aspekte sind u. a:
- - Umweltschutz
- - Sicherheit
- - Schnelle Realisierbarkeit – die Lösung des Klimaproblems ist auch eine Zeitfrage
- - Wirtschaftlichkeit (Investitions- und Betriebskosten)
- - Möglichst geringe Energieverluste
- - Verfügbarkeit der Rohstoffe
- - Lokale und internationale Akzeptanz
5. Erneuerbare Energie und Speicherkapazität aus Nordafrika
Die Deckung des Energiebedarfs durch erneuerbare Energie erfordert für PV und WK Anlagen große Flächen und bei PV vorzugsweise solche mit möglichst intensiver Sonneneinstrahlung. Diese Voraussetzungen sind in Europa nur eingeschränkt gegeben und entsprechend teuer. Für die zusätzlich notwendigen Speicheranlagen, insbesondere für die besonders effizienten Pumpspeicherwerke, gilt ähnliches.
Aus europäischer Sicht liegt daher die Idee nahe, einen Teil der benötigten Energie aus nordafrikanischen PV und WK Anlagen zu beziehen bzw. teilweise dort zu speichern.
Die Idee, Solarenergie aus Nordafrika zu nutzen, wurde bereits in den 1980er Jahren vom Club of Rome entwickelt und propagiert. Das Projekt wurde später unter dem Namen “Desertec“ von namhaften Konzernen aufgegriffen, leider bis heute ohne nennenswerte Fortschritte.
Argumente für PV in Nordafrikan
- Eine PV Anlage in Nordafrika würde bei gleicher Größe, also etwa gleichen Kosten, fast doppelt so viel Strom liefern wie dieselbe Anlage in Mitteleuropa, d. h. Strom aus diesen Anlagen wäre entscheidend kostengünstiger.
- Wenn ein Teil der Anlagen in Nordafrika gebaut wird, reduziert dies in der EU den Bedarf an Flächen und Strukturen, wodurch hier auch die Akzeptanz verbessert wird.
- In Nordafrika stehen ausreichend Brachflächen zur Verfügung, um über PV und WK einen wesentlichen Teil des europäischen Energiebedarfes zu decken und dazu den Eigenbedarf des jeweiligen afrikanischen Landes.
- Die Verteilung der PV Anlagen auf weit auseinander liegende Gebiete mit unterschiedlichen Klimabedingungen führt zu gleichmäßigeren Erträgen, d. h. zu einer Verringerung der notwendigen Speicherkapazität.
- Unter den in Frage kommenden Speichersystemen spielen Pumpspeicherkraftwerke vermutlich eine wesentliche Rolle. An der nordafrikanischern Mittelmeerküste sind dafür teilweise günstige Voraussetzungen gegeben (→ Speichersysteme).
Der aus diesen Speichern bedarfsgerecht bezogene Strom wäre entsprechend wertvoller und damit für die betroffenen Länder lukrativer. - Nicht zuletzt hätte der Bau und Betrieb von großen PV Anlagen bzw. den dazugehörigen Speicheranlagen für die betroffenen nordafrikanischen Länder selbst eine wesentliche wirtschaftliche Bedeutung. Gute wirtschaftliche und soziale Verhältnisse in den Nachbarstaaten sind für alle Beteiligten ein Gewinn. Die Nutzung der EE durch diese Länder wäre auch ein gutes Beispiel für Staaten mit ähnlichen Voraussetzungen.
Argumente für Windkraft in Nordafrika
Die für PV Anlagen angeführten Argumente gelten sinngemäß auch für WK Anlagen, ausgenommen natürlich das Argument der intensiveren Sonneneinstrahlung. Aber auch bei der in diesem Fall maßgeblichen Stärke und Regelmäßigkeit des Windes sind hier vielfach ebenfalls günstige Voraussetzungen gegeben.
Anstelle des unter 1 genannten Argumentes ist im Fall WK vor allem die Tatsache von Bedeutung, dass durch das reichlich vorhandene Brachland viele Einschränkungen wegfallen, die in Europa den Bau von Windkraftanlagen erschweren.
6. Energiekonzept mit stark reduziertem CO2 Ausstoß
Ausgangssituation:
Inwieweit Langzeitschäden für das Klima noch vermieden werden können, ist auch eine Zeitfrage. Daher stehen nicht nur in erster Linie die großen CO2 Emittenten im Fokus, sondern auch die schnelle Umsetzbarkeit der Maßnahmen.
Im Gegensatz zu anderen, angeblich revolutionären Technologien, die ebenfalls vorgeschlagen werden, kann der Weg über PV und WK ohne Zeitverlust und ohne Risiko einfach nur fortgesetzt und dabei schrittweise weiter beschleunigt und verbessert werden.
Als Grundlage für die Zahlenwerte von 2017 in der EU wird von den anbei dargestellten Diagrammen “Primärenergieverbrauch“ bzw. “Struktur der Stromerzeugung“ von World Energy Council (WEC) ausgegangen.
Ausgehend von den WEC Diagrammen ergeben sich weitere Daten und Zahlen durch Berechnung.
Wie bei jeder Prognose muss aber in vielen Fällen auch von subjektiven Annahmen ausgegangen werden. Somit ist das Ergebnis zu einem wesentlichen Teil nur als denkbare und unverbindliche Variante zu bewerten.
→ Berechnungen, Annahmen, Begründungen → siehe Beilage “Berechnungsgrundlagen“
6.1 Primärenergie und CO2 Emissionen EU 2017 und 20xy (7)
Energiequelle | Situation 2017 | Situation 20xy | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Mtoe/a primär |
% von 1 |
CO2 Mt/a |
% von 3 |
Mtoe/a primär |
% von 5 |
CO2 Mt/a |
% von 7 |
|
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | |
Kohle Strom | 176 | 10 | 763 | 20 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Kohle Rest | 59 | 4 | 256 | 7 | (8) 30 | 2 | 128 | 8 |
Öl Mobilität (9) (10) | 359 | 21 | 1.085 | 27 | (11) (12) 204 | 17 | 617 | 38 |
Öl Rest | 262 | 16 | 792 | 21 | 131 | 11 | 396 | 24 |
Gas Strom | 112 | 7 | 260 | 7 | (13) 11 | 1 | 26 | 2 |
Gas Rest | 291 | 17 | 677 | 18 | (14) 194 | 16 | 451 | 28 |
Kernenergie | 185 | 11 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Wasserkraft | 84 | 5 | 0 | 0 | 5 | 0 | 0 | 0 |
Biomasse/Müll | 50 | 3 | 0 | 0 | 3 | 0 | 0 | 0 |
PV + WK | 100 | 6 | 0 | 0 | 653 | 53 | 0 | 0 |
Summe (7) | 1.678 | 100 | 3.833 | 100 | 1.231 | 100 | 1.618 | 100 |
(7) Energiebilanzen, bei denen der Energieinhalt als Summe von unterschiedlichen Energieträgern dargestellt wird, sind dadurch problematisch, dass die Definition “Primärenergie“ teilweise nur mit zusätzlichen Angaben sinnvoll ist. Würde man z. B. den Energieinhalt von Kohle und den von Atomstrom gleichwertig als Primärenergie zusammenzählen, entstünde ein unrealistischer Eindruck von den Mengenverhältnissen. Deshalb wird bei Primärenergiebilanzen statt der im Strom enthaltenen Energie üblicherweise ein fiktiver Wert angenommen, der annähernd dem entsprechen würde, der bei konventioneller Erzeugung des Stromes nötig wäre. Der Faktor, mit dem die im Strom enthaltene Energie multipliziert wird, liegt je nach Methode (z. B. Wirkungsgradmethode) üblicherweise bei 2,5 – 3. Wie eine überschlägige Überprüfung ergibt, wurde diese Methode auch in den dargestellten Diagrammen von WEC angewendet.
Da der zukünftig vorgesehene Hauptanteil durch Strom aus PV und WK bestehen soll, würde aber gerade diese Darstellungsweise einen falschen Eindruck vermitteln. Daher wird der Anteil PV und WK hier 1:1 als “Primärenergie“ eingestuft (Die Werte des WEC bleiben aber unverändert, unter Inkaufnahme von kleinen Ungereimtheiten).
(8) 50% des Verbrauches von Kohlenstoff für Stahl durch H2 ersetzt.
(9) Eurostat Öl Mobilität ges. 2015 = 359 Mt
(10) Stat. Bundesamt DE Straßenverkehr EU 2015: 888 Mt CO2 entspr. 294 Mtoe Öl
(11) 75% des Straßenverkehrs mit Elektroantrieb
(12) Schiff- u. Flugverkehr Treibstoff bleibt fossil. Der auf CO2 freien Antrieb umgestellte Teil ist unter 11 berücksichtigt.
(13) Strom durch Gas in Summe noch 10% (wird nur bei Bedarf eingesetzt)
(14) 2/3 vom Restbedarf bleiben unverändert
6.2 Strombedarf EU 20xy
Bedarf | TWh | Anmerkung | |
---|---|---|---|
1 | Produktion 2017 | 3256 | |
2 | Mehrbedarf allgemein 25% | 815 | Digitalisierung usw. |
3 | E-Mobilität (11) | 853 | |
4 | Wärmepumpen Ersatz Ölheizung | 508 | 50% der Heizungen sind umgestellt |
5 | Wärmepumpen Ersatz Gasheizung | 352 | 33% der Heizungen sind umgestellt |
6 | H2 Produktion für Stahlindustrie (8) | 686 | |
7 | Verluste durch Speicherung 10% | 580 | inklusive Stromtransport |
8 | Produktion von 10 Mt H2 | 550 | 55kWh/1kg, versch. Zwecke, direkte Nutzung |
9 | Summe (15) | 7.600 | entspricht 653 Mtoe |
(15) ca. doppelt so viel wie 2017
6.3 Eckpunkte zum Energiekonzept für 20xy
6.3.1 Grundsatz: Trotz der gebotenen Eile eine wirkliche Lösung, ein für allemal.
In kürzestmöglicher Zeit soll ein möglichst großer Teil der derzeitigen CO2 Emissionen durch fossile Energieträger eliminiert werden und gleichzeitig soll der Weg zu einer umweltfreundlichen, ungefährlichen und für alle Zukunft ausreichenden Energieversorgung eingeleitet werden.
6.3.2 Die grundsätzlichen technischen Lösungen und die Richtlinien zur Vorgangsweise politisch festlegen, aber die Umsetzung entsprechend dem konkreten Entwicklungsstand flexibel gestalten..
6.3.3 Aus den Gründen, die im Kapitel “EE und Speicherkapazität aus Nordafrika“ erläutert sind, soll ein wesentlicher Teil der benötigten Energie (ca. 50%) und Speicherkapazität (vorzugsweise Pumpspeicherwerke (PSW) aus Nordafrika stammen.
6.3.4 Wieweit jeweils PV oder WK zur Energiegewinnung eingesetzt werden sollen, wird im Einzelfall nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nach den weiteren maßgeblichen Kriterien entschieden.
7. Energieproduktion und Flächenbedarf für PV und WK(16)
(16) Der nachfolgend ermittelte Flächenbedarf gilt für die Nutzung durch PV, kann aber in erster Näherung auch als Flächenbedarf für die Nutzung durch WK interpretiert werden.
Aus den angeführten Berechnungen und Annahmen geht hervor, dass im Jahr 20xy ein Strombedarf von 7600 TWh/a besteht (ca. Verdoppelung gegenüber 2017).
Durchschnittlicher Ertrag bei Freilandanlagen in der EU etwa 900 MWh/a = 0,09 TWh/ km2
Durchschnittlicher Ertrag bei Freilandanlagen in Nordafrika etwa 1800 MWh/a = 0,18 TWh/ km2
Mit der Annahme, dass die benötigte elektrische Energie etwa je zur Hälfte in der EU und in Nordafrika produziert wird, also jeweils 3800 TWh, ergibt sich:
Flächenbedarf in der EU zur Produktion von 3800 TW/a: 3800/0,09 = 42.222 km2
Zum Vergleich: Landwirtschaftlich genutzte Fläche in der EU: 174.600.000 ha = 1.746.000 km2
Somit würde PV etwa 42.222/1.746.000x100 = 2,4% der landwirtschaftlichen Fläche benötigen.
Die nur für Bioenergie genützte Fläche beträgt derzeit etwa 14% der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche.
Daher würde PV 2,4/0,14 ≈ 17% der derzeit für Bioenergie genutzten Fläche benötigen.
Tatsächlich wäre die benötigte landwirtschaftliche Fläche geringer, da noch viele andere Flächen für PV zur Verfügung stehen, z. B. Dächer.
Ferner wäre der Flächenbedarf für die WK, der hier pauschal wie ein PV-Anteil mit gleichem Ertrag eingerechnet wurde, in der Realität deutlich geringer.
Flächenbedarf in Nordafrika: Größenordnungsmäßig beträgt der Flächenbedarf bei gleichem Ertrag etwa die Hälfte wie in der EU, also 42.222/2 = 21.111 km2
Die übrigen Kriterien gelten wie für die EU.
Ein Kreis mit ø 164 km vermittelt eine Vorstellung von den Größenverhältnissen, wenn auf einer Fläche dieser Größe (21.111 km2) ca. die Hälfte des Bedarfes an Primärenergie der EU durch PV gedeckt werden soll.
8. Energietransfer EU - Nordafrika
Theoretisch kommt ein Transfer über Wasserstoff oder über Strom in Frage. Folgende Gründe sprechen für einen Transfer durch Strom:
- Eine starke Stromleitung ist auf jeden Fall nötig, da die Energie in Form von Strom produziert und in der Hauptsache in der EU als Strom gebraucht wird.
- Der Energietransport über eine Stromverbindung ist einfacher und mit deutlich geringeren Verlusten verbunden, als der Transport von H2 über Rohre oder Behälter (gasförmig oder flüssig).
- Sollte die Energie in der EU in Form von H2 benötigt werden, dann kann die dazugehörige Elektrolyse und Speicherung relativ einfach auch hier erfolgen.
- Mit einer bestehenden Stromleitung kann der Strom auch umgekehrt fließen, d. h. vorübergehender PV und/oder WK Stromüberschuss in Europa kann durch Pumpspeicherwerke in Nordafrika gespeichert werden. Das verringert den Bedarf an Speicherkapazität in der EU und die hohen Energieverluste durch H2 Speicherung.
(Verluste: H2 Speicherung ca. 60%, PSW ca. 30% inklusive Stromtransport hin + zurück)
9. Wirtschaftliche Aspekte
Die wirtschaftlichen Aspekte können nicht losgelöst von Präzisierungen bewertet werden.
U. a. muss geklärt sein:
- - Für wenn gelten die wirtschaftlichen Vor- oder Nachteile? Für einen Konzern, für ein Land, für die Allgemeinheit?
- - Wer und/oder was wird bei den Kosten berücksichtigt? Die direkten Produktionskosten, die über Steuern von der Allgemeinheit zu bezahlenden Kosten, die sozialen und Umweltkosten usw.?
- - Geht es um die aktuelle Situation oder um die voraussichtlich in wenigen Jahren bestehende?
Angesichts der Komplexität der Fragen und der unterschiedlichen Interessen, ist und war es zu erwarten, dass die wirtschaftlichen Bewertungen sehr unterschiedlich ausfallen. Jahrzehntelang galt es als ausgemacht, dass PV als Energiequelle unbezahlbar ist und somit nie eine realistische Alternative zu fossilen Energieträgern werden könne. Inzwischen spricht neben den dringend erforderlichen Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung und der zu erwartenden Verknappung von fossilen Energieträgern in vielen Fällen auch die Kostenfrage für PV und WK, in absehbarer Zukunft auch einschließlich der notwendigen Speicherkapazität. Unkalkulierbare Kostenexplosionen, wie z. B. bei neueren AKW Projekten, können aufgrund der elementaren und gefahrlosen Bauweise der dazugehörigen Infrastruktur ausgeschlossen werden.
Entscheidend bei den wirtschaftlichen Überlegungen ist, dass die Kostenentwicklungen im Vergleich konventionell vs. erneuerbar gegenläufig verlaufen. Die direkten Kosten für fossile Energieträger können, bedingt vor allem durch abnehmende Vorräte, generell nur steigen.
Im Gegensatz dazu sind bei Nutzung von Sonne und Wind die Energieträger nicht nur unerschöpflich und weltweit verfügbar, sondern für alle Zeiten kostenlos. Somit bestehen die Energiekosten in diesem Fall fast ausschließlich aus den Kosten für die Infrastrukturen und diese können, getrieben durch internationalen Wettbewerb, technische und wissenschaftliche Weiterentwicklungen, höhere Stückzahlen, organisatorische Maßnahmen usw. nur weiter sinken.
Die mit den Infrastrukturen zur Überbrückung von Phasen mit unzureichendem Energieangebot notwendig werdenden Kosten sind derzeit noch nicht genau quantifizierbar. Man darf aber davon ausgehen, dass bei guter Planung auch die Summe der Kosten für die PV + WK Anlagen und der dazugehörigen Speicher- und Transporteinrichtungen den bei konventioneller Energieversorgung gewohnten Rahmen mittelfristig nicht überschreiten und längerfristig unterschreiten wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Investitionen durch geringe Betriebsspesen, kostenlose Energiezufuhr durch Sonne und Wind und die langlebige, relativ einfache Technik vergleichsweise kurzfristig amortisieren.
10. Energetische Autarkie
Einen wesentlichen Teil des Energiebedarfes durch PV und WK aus dem Ausland zu decken, bedeutet den Verzicht auf eine vollständige Autarkie. Im Fall von Energieimporten aus Nordafrika in der vorgeschlagenen Form gibt es aufgrund der ausgewogenen Interessen und der evtl. kurzfristig zur Verfügung stehenden Reservekraftwerke aber so gut wie kein Risiko.
Langfristig besteht auf jeden Fall die Möglichkeit, Abhängigkeiten bei entsprechender Notwendigkeit zu reduzieren, indem man die eigene Energieproduktion durch PV + WK entsprechend erhöht. Nicht zuletzt deshalb bietet die Energiewende eine höhere Versorgungssicherheit als die heute mit fossilen Energieträgern gegebene.
Zudem steht es jedem/r Bürger/in und jedem Land frei, durch den Ausbau von eigenen PV und/oder WK Anlagen bzw. der dazugehörigen Speichersysteme die eigene Energieversorgung früher oder später vollständig autark zu gestalten.
April 2021, Joule